„Becoming Still“ ist weniger eine Serie von Fotografien als ein visuelles Journal, ein tastendes Nachdenken mit Bildern. Die Arbeit folgt keiner linearen Erzählung, sondern einer Spur, die sich zwischen Fragmenten entfaltet. Sie eröffnet Zwischenräume, in denen Wahrnehmung nicht sofort in Begriffe übersetzt wird. Diese Offenheit widerspricht der alltäglichen Flut von Bildern, die klar umrissene Botschaften transportieren und dadurch die Welt auf Funktion und Zweck reduzieren.
Gerade in dieser Verweigerung von Eindeutigkeit liegt eine Nähe zu einem Gedanken des frühen Ludwig Wittgenstein. Er schrieb, dass man über das, „worüber man nicht sprechen kann, schweigen“ solle. Dieses Schweigen meint kein Verstummen, sondern die Anerkennung einer Grenze, an der Sprache nicht mehr trägt. „Becoming Still“ nimmt diese Haltung in der Bildsprache auf: Es geht darum, sichtbar werden zu lassen, was sich dem Sagbaren entzieht – nicht durch Erklärung, sondern durch ein offenes, kontemplatives Sehen.
So entsteht eine ästhetische Form des Schweigens, die nicht Leere bedeutet, sondern ein Resonanzraum wird. Die Bilder verlangsamen die Wahrnehmung und laden dazu ein, gewohnte Kategorien loszulassen. Darin klingt zugleich ein mystisches Erbe an: die Ahnung, dass das Wesentliche nicht im Begriff, sondern im Unaussprechlichen erfahrbar wird. „Becoming Still“ versteht sich daher als Gegenpraxis zur Bilderflut der Gegenwart – ein Versuch, Stille als Ort der Neuorientierung erfahrbar zu machen, als Einladung zur Begegnung mit der Welt, dem Anderen und sich selbst.